„Bach by Bike“

Wandeln auf den Spuren Johann Sebastian Bachs

An Fahrradfahren ist angesichts des nasskalten Wetters momentan wohl kaum zu denken. Es sei denn, man hat das Fahrradfahren zur Geschäftsidee gemacht und sieht sich im Sommer entlang der historischen Route fahren, die kein anderer als Johann Sebastian Bach ein paar hundert Jahre vorher für sich entdeckt hat. Diese Idee haben vor einiger Zeit Anna-Luise Oppelt und Mareike Neumann, zwei ehemalige Studierende der Hochschule für Musik Detmold, in die Tat umgesetzt. „Bach by Bike“ ist mittlerweile zu einer Marke geworden.

Würde Johann Sebastian Bach heute noch leben, wäre er seiner Zeit in puncto Nachhaltigkeit voraus. 400 Kilometer legte er zu Fuß zurück, um von seinem damaligen Aufenthaltsort im thüringischen Arnstadt zu Dietrich Buxtehude nach Lübeck zu gelangen. Heute wäre die Antwort darauf: das Fahrrad. Man kommt schnell und sicher von A nach B, kann sich einer geführten Gruppe anschließen, in der man mit Menschen zahlreicher Nationalitäten ins Gespräch kommt. Etwa über die Musik Johann Sebastian Bachs sowie die reichhaltige Tradition kultureller Schätze vor Ort. Das alles vereint die Idee von „Bach by Bike“ – gegründet von den beiden Musike­rinnen Anna-Luise Oppelt und Mareike Neumann. Drei Gemeinsamkeiten verband beide vom ersten Tag an: Die Liebe zur Musik des Komponisten, die beiden als Töchter von Kirchenmusikern in die Wiege gelegt wurde, die Begeisterung fürs Fahrradfahren und nicht zuletzt das gemeinsame Studium an der Hochschule für Musik Detmold, in dem die Idee des Projekts entstanden ist. Beide studierten damals Violine und wohnten gemeinsam in einer WG. „Als Anna dann zum Zweitstudium nach Weimar ging, fiel uns auf, wie dicht die Wirkungsstätten Johann Sebastian Bachs beieinanderliegen“, erinnert sich Mareike Neumann. Somit lag die Idee nahe, die Orte zu einer Route zu verbinden. Als beide diese Strecke im folgenden Sommer mit dem Fahrrad erkundeten, war klar: Hier schlummern viele verborgene Schätze, die nur darauf warten, gehoben zu werden.

Vorerst stand die Idee eines musikalischen Reiseführers im Raum, dann wurde das Ganze auf Anregung der Volkshochschule Detmold, eine Reisegruppe entlang der Route zu führen, weitergedacht. Als beide dann die Route mit Bekannten und Verwandten im Vorfeld abfuhren, war die Geschäftsidee von „Bach by Bike“ geboren. Mithilfe eines Reiseveranstalters, einer Handvoll erster Kontakte und einer frisch gegründeten GbR ging es zunächst mit drei geführten Touren im Jahr 2014 los.

„Ziel war, das Ganze mit möglichst viel Musik vor Ort zu verbinden“, erzählt Anna-Luise Oppelt. „Und das nicht nur hörend, sondern auch selbst musizierend.“ Schnell entwickelte sich das anfängliche Vorhaben zu einem bunten Strauß an Ideen: Kantoren wurden kontaktiert, die persönliche Führungen zu den Orgeln Bachs anboten, der Kontakt zu Veranstaltern intensiviert, die ihre Konzertorte mit den Etappen der Radtouren in Einklang brachten. Auch gründeten Anna-Luise Oppelt und Mareike Neumann das Bach by Bike-Ensemble, um auch als Musikerinnen auf der Radreise in Erscheinung zu treten und eigene Konzertideen zu verwirklichen. Denn das ist die Vision, die beide antreibt: Das Erleben der Musik ihres großen Vorbildes und des geschichtlichen Umfeldes an den Originalschauplätzen. So denken beide noch gerne an die Aufführung der Kantate „Angenehmes Wiederau“, die vor zwei Jahren inmitten der prachtvollen Kulisse des Barockschlosses von Wiederau, einem kleinen Ort bei Leipzig, das erste Mal live stattfand. „Viele Menschen haben sich an dem Ereignis vor Ort beteiligt und ihnen wurde das erste Mal die historische Bedeutung von Wiederau bewusst“, erzählt Mareike Neumann.

Das Tourenspektrum ist gewachsen und bezieht sich heute nicht mehr nur ausschließlich auf den mitteldeutschen Raum, sondern lotet auch neue historische Stränge in Bachs Leben aus. Auf der gut dokumentierten Website www.bachbybike.com befindet sich auch eine Tour durch Brandenburg, die die Originalschauplätze entlang Bachs Reise 1747 nach Potsdam zu Friedrich dem Großen aufspürt. 2022 führte in Kooperation mit den Weserfestspielen eine Route durch das Schaumburger Land durch Orte wie Bückeburg, Stadthagen und das Kloster Loccum.

„Mittlerweile ist ein umfangreiches Netzwerk, ja, eine ganze Familie entstanden, die Bach by Bike zu dem macht, was es heute ist“, schwärmen Mareike Neumann und Anna-Luise Oppelt, die besonders den persönlichen Kontakt zu den Menschen schätzen und daher die Konzerte unterwegs moderieren. Die Teilnehmenden kommen aus aller Welt. Sie sind 24 bis 89 Jahre alt. Unter ihnen sind Profimusikerinnen, Liebhaber und solche, die mit der Musik von Bach noch nicht in Berührung gekommen sind. „Wir möchten Menschen für die Musik von Bach begeistern“, strahlt Anna-Luise Oppelt. Wie Mareike Neumann plant sie die Touren von A bis Z selbst: Sie kümmert sich um die Kosten, bucht Hotelzimmer und nimmt auch schon mal Kontakt zum örtlichen Fahrradverleih auf. Ein immenses Aufkommen, das beide neben ihrer eigentlichen Tätigkeit als Violinistin beim Beethoven Orchester Bonn bzw. Opern- und Konzertsängerin, gerne leisten.

Den Corona-Lockdown haben beide genutzt, um ihr Angebot weiter zu verbessern. Im Gespräch mit der IHK erfuhren die engagierten Frauen alles, um sich als Reiseveranstalterinnen selbstständig zu machen. „Wir sind jeden Tag von unserer Arbeit begeistert. Das finden auch unsere Teilnehmenden“, freut sich Mareike Neumann. „Wir wünschen uns neue Schilder für den Bach-Radweg“, ergänzt Anna-Luise Oppelt. „Die Erlebnisroute führt durch Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt und ist sehr beliebt. Für den Ausbau des Projektes brauchen wir noch mehr öffentliche Gelder. Der OPUS-Klassik-Preis war ein perfekter Türöffner.“

Und eines ist klar: Würde sich Bach heute nochmal auf den Weg nach Lübeck machen, wäre er bestimmt mitgeradelt.

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