Vom 23. bis 29. September führt die Hochschule zum vierten Mal den Brahms-Klavierwettbewerb Detmold durch. Dieser hat sich im siebten Jahr seines Bestehens kontinuierlich weiterentwickelt. Schon 2021 konnte die Nordwestdeutsche Philharmonie als Partnerin für das Orchesterfinale gewonnen werden. Tonmeisterstudierende des Hauses übertragen auch diesmal wieder die Konzerte live ins Internet. Das Lippe Magazin hat mit dem künstlerischen Leiter Prof. Jacob Leuschner über die Ziele gesprochen, die die Hochschule mit dem Wettbewerb bezweckt, und ihn außerdem nach seinen persönlichen Erfahrungen mit Johannes Brahms befragt.
Lieber Herr Prof. Leuschner, was bedeutet Ihnen Johannes Brahms persönlich und wie sahen Ihre ersten Begegnungen mit ihm aus?
Brahms ist einer meiner Lieblingskomponisten. Seine Musik ist die eines perfekten Baumeisters, dessen formale Meisterschaft der Beethovens in nichts nachsteht – oft entwickelt er ganze Sätze aus einer motivischen Keimzelle – und zugleich berührt und bewegt sie unmittelbar. Neben der Klaviermusik spielt auch seine herrliche Kammermusik eine wichtige Rolle in meinem Repertoire. Im Jugendalter habe ich als erstes seine f-Moll-Sonate und die späten Klavierstücke op.119 einstudiert.
Warum widmet die Hochschule ausgerechnet Johannes Brahms einen Wettbewerb?
Hierfür gibt es einen Anlass und einen Grund. Brahms ist mit Detmold biographisch fest verbunden, hatte er doch seine erste Anstellung hier am Fürstenhof, und zwar als Chorleiter und Klavierlehrer. Auch wenn er sich hier nicht recht heimisch fühlte und „nur“ drei Herbste hier verlebte, so sind doch einige bedeutende Werke zum Teil hier entstanden, auch
das 1. Klavierkonzert.
Es ist aber auch so, dass es lange Zeit keinen wirklich bedeutenden Klavierwettbewerb gab, der dem Werk von Brahms gewidmet ist. Diese Lücke wird nun seit 2017 in Detmold mit zunehmendem Erfolg gefüllt.
Klavierwettbewerbe gibt es viele, was ist das Besondere am Detmolder Brahms-Klavierwettbewerb?
Die Besonderheit hängt eng mit den Eigenschaften von Brahms’ Musik zusammen. Diese ist nicht geeignet, um sportliche Pianistik und äußerliche Virtuosität zur Schau zu stellen, obwohl sie teilweise extrem schwer zu spielen ist. Vielmehr fordert sie vom Interpreten klangliche und emotionale Tiefe, Reife, strukturelles Verständnis und eine gewisse Demut. „Egomanischen“ Musikern erschließt sich Brahms nicht. Daher suchen wir nach einem Musikertypus, der die genannten Eigenschaften mitbringt. Da hierfür auch ein Reifeprozess notwendig ist, hat der Wettbewerb die relativ hohe Altersgrenze von 35.
Sie veranstalten den Wettbewerb nunmehr im 7. Jahr. Wie hat er sich im Laufe der Zeit entwickelt?
Er ist erfreulicherweise stetig gewachsen, nicht nur in der Teilnehmerzahl – dieses Jahr haben wir die Rekordzahl von 94 Anmeldungen (von denen 34 nach einer Videoauswahl nach Detmold eingeladen werden), was zeigt, dass der Wettbewerb nun weltweite Bekanntheit unter jungen Pianisten erlangt hat. Auch der Umfang hat sich erweitert – anfangs hatten wir noch kein Finale mit Orchester, die Jury ist von fünf auf sieben Personen gewachsen, was einem Wettbewerb dieses Anspruchs angemessen ist, und auch das allgemeine Niveau der eingeladenen Pianistinnen und Pianisten ist gestiegen.
Was sind Voraussetzungen für eine Teilnahme?
Abgesehen von der erwähnten Altersgrenze steht der Wettbewerb allen professionellen Pianistinnen und Pianisten offen. Natürlich sollte man ein echtes und gewachsenes Interesse an Brahms mitbringen – es ist kein Wettbewerb, den man routiniert mit einem Standardrepertoire absolvieren kann. Allein die Tatsache, dass eines der beiden höchst anspruchsvollen Klavierkonzerte von Brahms verlangt wird, zeigt, dass lange und spezifische Vorbereitung unerlässlich ist.
Welche Bedeutungen haben Wettbewerbe für junge angehende Pianisten und Pianistinnen?
Hier gibt es mehrere Ebenen. Zum einen ist die intensive Vorbereitung eines umfangreichen Programms eine Erfahrung, von der die persönliche musikalische Entwicklung sehr profitiert. Dann sind Wettbewerbe Foren, in denen man Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt kennenlernen, Kontakte knüpfen und seinen eigenen Stand einzuschätzen lernen kann. Und schließlich kann ein Wettbewerb durchaus auch einen Karriereschub bedeuten. Hier sind die Anschlussengagements besonders wichtig, und wir sind in der glücklichen Lage, den Preisträgern einige sehr attraktive Konzertmöglichkeiten anbieten zu können.
Auf was darf sich das Publikum in diesem Jahr besonders freuen?
Auf ein einwöchiges Klavierfestival mit 34 hochtalentierten Pianistinnen und Pianisten aus aller Welt und natürlich auf das Finale mit der Nordwestdeutschen Philharmonie unter Florian Ludwig am 29. September um 18.00 Uhr. Der Wettbewerb wird die erste Veranstaltung im dann nach umfangreicher Renovierung wiedereröffneten Konzerthaus Detmold sein. Ich empfehle aber sehr, auch schon die ersten Durchgänge im Brahms-Saal anzuhören und vielleicht eine persönliche Favoritin oder einen Favoriten zu entdecken. Wer nicht persönlich dabei sein kann, dem bietet sich auch die Möglichkeit, den gesamten Wettbewerb live im Internet zu verfolgen.