Nach acht Monaten der Modernisierung öffnet die Hochschule pünktlich zum Wintersemester wieder ihr Konzerthaus. Die Meisterkonzertsaison startet mit sechs über das Studienjahr verteilten Konzerten, die erneut einen lebendigen Hörgenuss bieten.
Das Originalprogramm von 1902
Während eines Spaziergangs in heller Mondnacht gesteht eine Frau ihrem Geliebten, dass sie ein Kind eines anderen erwartet. Anstatt sich von ihr loszusagen, bekennt sich der Mann bedingungslos zu ihr und nimmt das fremde Kind als sein eigenes an. Diese Geschichte erzählt das bekannte Gedicht „Verklärte Nacht“ von Richard Dehmel, das Arnold Schönberg musikalisch vertont hat. Ilya Gringolts, Franziska Hölscher (Violine), Gregor Sigl, Lily Francis (Viola) sowie Clemens und Julia Hagen (Violoncello) präsentieren im 1. Meisterkonzert ihre Interpretation des Werks und beschwören damit zugleich einen historischen Moment des Wiener Konzertlebens von 1902 herauf. Damals reagierte das Publikum mit Unverständnis – heute ist „Verklärte Nacht“ eines der meistgespielten Werke Schönbergs und gilt als Inbegriff spätromantischer Kunst. Das Werk erklingt neben Brahms’ Streichquartett Nr. 1 und einer Wiener Rarität: dem Streichquartett d-Moll von Herrmann Grädener, einem Freund von Brahms und Wiener Hofkomponisten, der auch als Geiger in der Wiener Hofkapelle tätig war.
Wiener Geschichten mit der Harfe erzählt
Der Musikstadt Wien widmet sich auch das 2. Meisterkonzert. Anneleen Lenaerts, die Soloharfenistin der Wiener Philharmoniker, erzählt unter dem Titel „Vienna Stories“ ihre ganz eigenen Wien-Geschichten. Ob Dvořáks „Lied an den Mond“, Walthers Preislied aus Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ oder das Tanzlied aus Korngolds „Die tote Stadt“: „Jedes Werk hat eine besondere Verbindung, entweder zu meinen Erfahrungen in der Oper oder zur Harfe selbst und ihrer Rolle im Orchester“, erklärt Lenaerts die Werkauswahl in einem Interview mit der Zeitschrift RONDO. Im Konzert erklingt auch eine eigene Bearbeitung über eine Fantasie aus Puccinis „La Bohème“, denn der Komponist sah in jeder seiner Opern eine besondere Rolle für die Harfe vor.
Von Haydn bis heute
Mit einem frischen Blick auf zwei Klaviertrios von Joseph Haydn eröffnet das Trio Gaspard das 3. Meisterkonzert. 2012 wurden die Mitglieder mit dem 1. Preis des Internationalen Joseph Haydn Kammermusikwettbewerbs in Wien ausgezeichnet und gelten seit vielen Jahren als Haydn-Expertinnen und -Experten. Um eine kontrastreiche Spannung in seinen Konzerten aufzubauen, hat das Trio zeitgenössische Komponistinnen gebeten, Werke zu schreiben, die sich mit Haydns Musik auseinandersetzen. Sowohl Beiträge von Helena Winkelman als auch von Patricia Kopatchinskaja sind in Detmold zu hören. Ergänzend dazu erklingt das Trio élégiaque von Sergei Rachmaninow – ein Werk, das unter dem Eindruck des tragischen Todes von Peter Tschaikowsky entstand.
Weltbekannter Pianist spielt kontrastreiches Programm
Der kanadische Pianist Marc-André Hamelin genießt in der Musikwelt hohe Anerkennung und hat über 70 Alben veröffentlicht, möchte aber nicht als bloßer Virtuose gesehen werden. „Ich wünschte, man würde nicht so viel über meine Technik sprechen“, sagte er 2016 in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Vielmehr reize es ihn, das Wunder menschlicher Kreativität mit anderen zu teilen. Als Wanderer zwischen den musikalischen Welten präsentiert sich Hamelin dem Detmolder Publikum im 4. Meisterkonzert. Den Bogen spannt er von Haydn bis zu selten gehörten Werken. Einen Beitrag des amerikanischen Rockmusikers Frank Zappa würde man kaum erwarten, da Zappa eher durch seine Songs als durch sein Klavierstück „Ruth is sleeping“ bekannt ist. Doch Zappa, der sich früh für die Musik von Edgar Varèse begeisterte und in dessen Musik Einflüsse von Strawinsky zu finden sind, wollte nie ein typischer Rockstar sein. Hamelin widmet sich außerdem Werken des Schreker-Schülers Stefan Wolpe sowie seines Landsmanns, dem Improvisationsmusiker John Oswald. In der zweiten Hälfte des Konzertes wird es dann wieder „klassisch“ und es erklingen Werke von Nikolaj Medtner und Sergej Rachmaninov.
Zurück zu seinen Wurzeln
Nach seinem Abschluss in der Trompetenklasse der HfM Detmold ging die Karriere des bulgarischen Trompeters Miroslav Petkov steil bergauf. Nach seiner Tätigkeit als Erster Trompeter des Nationaltheaters Mannheim wurde er 2016 Erster Trompeter des Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam. Nun kehrt Petkov mit dem Concertgebouw Brass Quintet nach Detmold zurück: Das Ensemble zeigt im 5. Meisterkonzert die Vielfalt der Brassmusik. So interpretieren die Musiker unter anderem den ersten Satz von Vivaldis L’Estro Armonico, ursprünglich für Streichorchester und Violine geschrieben, in einem Arrangement von Steven Verhelst. Auch Werke von Axel Jørgensen, André Previn, André Lafosse und Enrique Crespo stehen auf dem Programm.
Ausflüge in die Neue Welt
Auf eine musikalische Reise zu den Spuren der Konquistadoren begeben sich The King’s Singers im 6. Meisterkonzert. Während des 16. und 17. Jahrhunderts wurden große Teile Nord-, Mittel- und Südamerikas von spanischen und portugiesischen Soldaten erobert. Mit ihnen gelangte auch die europäische Kultur auf das neue Terrain. So trafen Werke der abendländischen Renaissance auf die traditionelle indigene Maya- und Aztekenkultur. Es entstanden neue musikalische Genres. Diese Einflüsse sind sowohl in der Musik von Heitor Villa-Lobos als auch in jüngeren Kompositionen wie denen von Gabriela Lena Frank zu finden. Wie sich dieses zu Unrecht vernachlässigte Kapitel der Musikgeschichte mit der britischen Chormusik-Tradition perfekt verbindet, zeigen The King’s Singers eindrucksvoll in ihrem neuen Programm „The New World“. Natürlich werden aber auch Pop-, Jazz- und Folk-Songs aus dem Standard-Repertoire des weltbekannten A-cappella-Ensembles in Detmold zu hören sein.