Wie steht es um das Singen bei Kindern und Jugendlichen? Da einige Studien einen Rückgang des Singens im elterlichen Haus zeigen und der Medienkonsum von jungen Menschen schon lange hoch ist, kann die Bedeutung des Singens, gerade bei Heranwachsenden, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese Meinung teilt auch Max Jenkins, der Leiter einer neu gegründeten Singschule. Er glaubt fest daran, dass Musik in jedem Kind das Grundbedürfnis nach Gemeinschaft weckt. Wie gelingt ihm das?
Als ich Max Jenkins zum Gespräch treffe, hat er gerade sein tägliches Jogging-Programm absolviert. Jetzt sitzt er mit aufgeschlagenem Laptop und wachem Blick im Wintergarten. Wir haben uns verabredet, um darüber zu sprechen, wie man Kinder und Jugendliche für das Singen begeistern kann. Denn das gelingt dem gebürtigen Engländer, der von Kindesbeinen an in Deutschland lebt. Seit 2018 ist er Kinder- und Jugendchorleiter in St. Michael (Hiddesen), seit 2021 auch an der Martin-Luther-Kirche Detmold in selbiger Funktion. Dort gründete er den Jugendchor neu. 2023 wurden die Chöre der drei Gemeinden – jeweils zwei Kinderchöre und ein Jugendchor – zu einer Singschule zusammengeführt. Damit leistet Jenkins nicht nur einen Beitrag zur sängerischen Vielfalt in und um OWL, sondern auch zur kulturellen Jugendbildung. Und das neben Kirchenmusikstudium und Promotion im Fach Lehramt Musik. Zahlreich sind seine Konzertengagements an den Orgeln der Region. Wenn man ihn sprechen hört, scheinen alle seine Aktivitäten höchste Priorität zu genießen. Das Referendariat für die Arbeit im Schuldienst möchte er auf jeden Fall bald angehen, erzählt er mir. Aber vielleicht liegt seine Berufung auch darin, beide Studiengänge miteinander zu verbinden, so konträr sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Denn:„Es gibt kaum etwas Pädagogischeres als ein Ensemble auf ein besseres Level hin zu entwickeln“, so bringt es Max Jenkins auf den Punkt.
Vieles hat er in seinem Studium gelernt: Die Erfahrungen aus dem Praxissemester, in dem man ihn gelehrt hat, Konflikte nicht vor der Gemeinschaft auszutragen. Pop-Chorleitung bei Tobias Richter, seine Mitwirkung in Anne Kohlers Chor Pop-Up und wie man einen Kinderchor leitet. Doch das eigentliche Schlüsselerlebnis kam durch die ehemalige Domkantorin Gabriele Sichler-Karle zustande, durch die der Musiker die Chance bekam, einen Blick hinter die Kulissen der Domsingschule in Paderborn zu werfen. „Mich hat es begeistert, wie man so viele Menschen auf einmal mitnehmen kann“, sagt Max Jenkins, der die Orgel zwar als „sein“ Instrument betrachtet, doch immer auch den Kontakt zu Menschen gesucht hat.
Die Arbeit mit Kindern reizt ihn besonders. „Kinder haben noch so einen unverfälschten Humor“. Und dann muss er zugeben, dass er sich selbst oft zusammenreißen muss, damit er bei den Proben nicht selbst mitlacht. Eine ordentliche Prise Humor gehört eben dazu, wenn man mit jungen Menschen musikalisch arbeitet. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere lautet: für die Musik zu brennen und den Kindern auf Augenhöhe zu begegnen – eben wie bei einem Erwachsenenchor. Denn dann kommen auch Erfolg und Motivation nach dem „Ich-schaff-das-Prinzip“, die jedes Mal in Max Jenkins ein neues Feuer für seine Arbeit entfachen. Dass seine Philosophie aufgeht, belegen erfolgreiche Projekte aus der Vergangenheit: Ein Konzert mit dem Mariagerfjord Pigekor aus Dänemark, die Reise nach Verona im Rahmen der Städtepartnerschaft sowie die Gestaltung eines Konzerts beim diesjährigen Klosterfestival in Marienmünster. Seit April diesen Jahres bereitet er die Teilnahme seines Jugendchores VoiceKamp für das Internationale Chorfestival in Barcelona vor. Dafür fehlen ihm neben der Grundfinanzierung noch Gelder, die er durch Sponsoren eintreiben will.
Wie hat sein Engagement als Chorleiter begonnen? Als Jenkins 2018 seine Arbeit als Kantor in Hiddesen aufnahm, gab es dort einen Kinder- und einen Jugendchor. Die Idee eines gestuften Systems lag vor. Kinder und Jugendliche sollten vom Kindergarten bis zum Schulabschluss und darüber hinaus regelmäßig singen können und damit echte Gemeinschaft erleben. Der Zufall wollte es, dass Max Jenkins kurze Zeit später ein Interimskantorat in Detmold übernahm. Dort baute er die Kinderchorarbeit von Grund auf und erinnert sich noch heute gut, als er anfangs nur mit zwei jungen Frauen für seinen Jugendchor probte. Mittlerweile ist das Projekt gewachsen: ein Verbund von jungen Chören in den evangelisch-lutherischen Gemeinden in und um Detmold ist entstanden. Hinzugekommen ist ein versiertes Team, das Jenkins’ Arbeit unterstützt. Dazu zählen neben dem Jugendreferenten auch seine Teamerin Lea Fürstenau, die mittlerweile ebenso EMP an der HfM Detmold studiert. Jugendreferent Felix Märtin wurde extra von der Gemeinde neu eingestellt und bereichert seitdem die Chöre durch seine Ideen und Angebote, die spielerisch Zugänge zu Liturgie und geistlicher Musik eröffnen. Außerdem haben die Chormitglieder die Möglichkeit, kostenlos Stimmbildung bei Max Jenkins‘ ehemaliger Kommilitonin Sarah-Florentine Milcent zu bekommen. Ein Angebot, das dankbar angenommen wird.
Beide Gemeinden unterstützen ihn bei seiner Arbeit, sowohl personell als auch finanziell. Nicht zu vergessen ist dabei die Nachwuchsarbeit schon im Kleinkind- und Grundschulalter, die einen wichtigen Stellenwert einnimmt: Vier Kitas und vier Grundschulen zählen zu einem Netzwerk, das Max Jenkins intensiv pflegt. So bekommt er die Chance, mit den Kindern musikalisch zu arbeiten und sie so für die Teilnahme an der Singschule zu begeistern. Die beste Werbung sind die gemeinsamen Konzerte. Max Jenkins schwärmt schon jetzt von der Arbeit am Sommermusical, das er mit der Freiligrathschule und der Werretalschule und Kindern seiner Singschule aufführen möchte. „Da stehen 120 Kinder auf der Bühne. Ist das nicht cool?“
Mit diesem Begeisterungsruf endet unser Gespräch, denn es ist noch einiges zu tun, bevor Jenkins mit seinem Chor nach Barcelona reist: Zuschüsse akquirieren, Elterngespräche führen. Denn schließlich organisiert sich so eine Reise nicht von allein. Auch organisatorische Arbeit und Projektmanagement sind einige seiner vielfältigen Talente. „Ketten-Mails mit Standardsätzen an Stiftungen funktionieren eben nicht“ – das weiß der 26-Jährige aus seiner Praxis zu berichten.